BFH entscheidet mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Holding und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Von admin am 26. Juli 2016 um 13:51

Pressetext:
Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12 mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding (geschäftsleitenden Holding) und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geklärt.

I. Vorsteuerabzug einer Führungsholding
Im Streitfall erbrachte die Klägerin, eine Holding, an ihre Tochter-Personengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Daneben legte sie u.a. Kapital verzinslich bei einer Bank an. Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit und des Erwerbs der Anteile an den Tochtergesellschaften bezog die Klägerin ihrerseits Dienstleistungen von anderen Unternehmen (wie z.B. die Erstellung eines Ausgabeprospekts und Rechtsberatungsleistungen).
Die Klägerin begehrte für die auf die Dienstleistungen entfallende Umsatzsteuer den vollen Vorsteuerabzug.
Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) entschieden, dass der Klägerin für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zusteht. Allerdings ist die verzinsliche Anlage eines Teils des eingeworbenen Kapitals bei einer Bank ein umsatzsteuerfreier Umsatz, so dass die mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Vorsteuer (anteilig) nicht abziehbar ist. Auf die erforderliche Vorsteueraufteilung kann auch nicht aufgrund der Vereinfachungsregelung des § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung verzichtet werden, weil die verzinsliche Anlage von Kapital zur Haupttätigkeit der Klägerin gehört. Der BFH hat die Sache deshalb an das Finanzgericht (FG) Hamburg zurückverwiesen.

II. Umsatzsteuerrechtliche Organschaft
Ein zweiter Schwerpunkt der Entscheidung ist die Frage, ob eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Organgesellschaft sein kann.
Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile des Organträgers und seiner Organgesellschaften als ein Unternehmen zu behandeln und der Organträger wird Steuerschuldner für alle Leistungen, die der Organkreisgegenüber Dritten erbringt. Liegt eine Organschaft vor, wirkt sich dies deshalb auf die Höhe der gegenüber dem Organträger festzusetzenden Umsatzsteuer aus.
Voraussetzung hierfür ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, was nach bisherigem deutschen Verständnis ein Verhältnis der Unterordnung der Organgesellschaft unter den Organträger voraussetzt.
Der BFH ist im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG jedenfalls insoweit unionsrechtswidrig ist, als die Vorschrift vorsieht, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann. Dieser Ausschluss ist weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und angemessen. Weiter hat der BFH entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Er knüpft dabei an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts an, die dieselbe Auslegung in anderem Zusammenhang bereits ebenfalls vorgenommen haben.
Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit Unionsrecht vereinbar ist, ließ der XI. Senat des BFH aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen. Der V. Senat des BFH hat dazu mit Urteil vom 2. Dezember 2013 V R 15/14 die Auffassung vertreten, es sei weiter daran festzuhalten, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügen muss und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Organgesellschaft bestehen muss (vgl. Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 27. Januar 2016).

Bundesfinanzhof, XI-R-38/12
Pressemitteilung vom 09.03.2016
Pressemitteilung Nr. 23/2016

Steuerberatung Nürnberg: Umsatzsteuerliche Organschaft – Auch eine GmbH & Co. KG kann Organgesellschaft sein

Von admin am 31. Juli 2013 um 14:19

Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 13.3.2013 entschieden, dass für Zwecke der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht nur juristische Personen z.B. Körperschaften wie AG, GmbH Organgesellschaft sein können, sondern auch Personengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG.
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des deutschen UStG verlangt für die umsatzsteuerliche Organschaft erstens, dass die Organgesellschaft eine juristische Person ist und zweitens, dass die Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Das EU-Recht sieht insbesondere die erste Voraussetzung so nicht vor. Entsprechend begründet das Finanzgericht München sein Urteil mit dem gebotenen Grundsatz der steuerlichen Rechtsformneutralität des § 11 MwStSystRL.
Über die Revision entscheidet nun der BFH bzw. der EuGH. Das vorliegende Urteil hat, wenn es bestätigt wird, weitreichende Konsequenzen für die steuerliche Gestaltung von Unternehmens-Gruppen und Konzernen. Bis das abschließende Urteil vorliegt, müssen davon bereits jetzt betroffene Unternehmen die entsprechenden Bescheide verfahrensrechtlich offen halten.

Weiterhin lassen zwei Urteile des EuGH vom 9.4.2013 und 25.4.2013 Zweifel am Ausschluss von Holdings insb. Finanzholdings als potentielle Organträger in Deutschland aufkommen. Fragen stellen sich bezüglich der erforderlichen Unternehmereigenschaft der Holding als auch der – insbesondere wirtschaftlichen – Eingliederung von Organgesellschaften in eine Holding. Hier spricht einiges gegen die Rechtmäßigkeit der deutschen Regelungen.

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